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Manfred Grübl – Für Saalfelden

Kunsthalle im Kunsthaus Nexus
 
Eröffnung: 17. November 2017
Dauer: 18.11.2017–21.1.2018
 
Herzlichen Dank an die Beteiligten:
Hundeverein SVÖ Saalfelden
Jagd- und Schützenverein Maria Alm mit JägerInnen  der Saalfeldener Jägerschaft
Salzburger Rangglerverband
 
Rede zur Eröffnung am 17.11.2017, Petra Noll-H.
Manfred Grübls Hauptanliegen ist es, durch Interventionen, Aktionen und Installationen einen sozialen, lebendigen Raum zu schaffen, der von allen Beteiligten ein hohes Maß an Eigeninitative und Teilhabe erfordert. Die  BesucherInnen in seine Ausstellung zu integrier-en, zu animieren, ist ihm ebenso wichtig wie die Durchführung von eher im Kunstkontext ungewöhnlichen Aktionen.
Für diese Ausstellung artikuliert Grübl mit dem Titel „Für Saalfelden“ sein Ansinnen, nicht nur für das Kunstpublikum, sondern auch mit den und für die Menschen vor Ort etwas zu installieren. Zugrunde liegt ein von Joseph Beuys inspirierter erweiteter Kunstbegriff, mit dem Grübl die traditionelle Rolle von Kunstwerk, Ausstellungsraum, KünstlerInnen und BesucherInnen radikal zur Diskussion stellt. Für diese Ausstellung hat er mit drei Vereinen zusammengearbeitet, mit dem Jagd- und Schützenverein Maria Alm, dem Salzburger Rangglerverband und dem Hundeverein SVÖ Saalfelden. Deren Zusammenarbeit mit dem Künstler hat bereits weit im Vorfeld der Ausstellung begonnen und hat die Vereinsmitglieder sozusagen zu Komplizen gemacht. Dadurch relativiert Grübl die Rolle des Künstlers: Er ist der Entwerfer des Konzepts und Initiator von Kommunikation, aber er provoziert auch den Rollenwechsel und bleibt offen für Inputs von anderen. Entstanden ist ein Raum mit Objekten, Video und Fotografien; ein Raum – offen für verschiedene Aktionen der Vereine, aber auch  für Interaktionen durch die BesucherInnen.

In der Galerie hängt eine von Grübl gestaltete Schützenscheibe von 156 cm Durchmesser, sie zeigt den Künstler mit Hund auf einem Pferd. „Schützenscheiben“ sind und waren auch früher oft künstlerisch gestaltet – ursprünglich meist als Handmalerei auf Holz. Für die Scheibe der Ausstellung wurde das Motiv mittels Lasertechnik auf Holz gebrannt. Hier endete die Arbeit des Künstlers; die eigentliche Arbeit übernahmen die Schützen vom Jagd- und Schützenverein Maria Alm. Sie brachten die Scheibe in den finalen Zustand – und wurden damit zu Co-Künstlern. Grübl hinterfragt hiermit traditionelle Vorstellungen von künst-lerischer Autorenschaft und Originalkunstwerk. Auf der Scheibe steht in verschiedenen Dia-lekten der bayerische Begriff für Fabel-/Mischwesen, „Wolpertinger“: Rammeschucksn = Oberpfalz, Oibadrischl = Niederbayern (fehlt: Niederösterreich und Salzburg=Raurackl) und Grüblinger – der Künstler, der seine Position zur Diskussion stellt. Dokumentarische Fotos von der Aktion sowie von Grübl und Margi begleiten das Projekt.

Am Vernissagenabend fanden Aktionen statt, die normalerweise in einem Kunstraum nicht stattfinden und zur Belebung der Kunsthalle und Durchmischung der Publikumsstruktur führten. Es wurden zudem keine fertigen Objekte präsentiert, sondern „Situationen“ geschaffen, an denen die BesucherInnen teilhaben konnten.

Als erstes zeigten zwei Sportler des Salzburger Rangglervereins auf einer Plattform mit Sportmatten Wurf- und Hebeltechniken, wobei die Zuschauer gefragt waren, darauf im Kunstkontext zu reagieren. Der Kampfsport „Rangglen“ reicht bis zu Kelten zurück und diente ursprünglich als Streitschlichtung; es geht darum, den Gegner mit Wurf- und Hebeltechniken auf die Schulter zu werfen. Auf dem Berg „Hoher Hundstein“ in der Nähe von Saalfelden, findet jährlich in über 2000 Meter Höhe in einem natürlichen Amphitheater das „Hundstoa-Ranggeln“ statt, das seit 2010 zum nationalen immateriellen Kulturerbe der UNESCO gehört. Grübl hat bereits in der Galerie Lukas Feichtner in Wien eine Aktion mit dem Titel „Crash-mat“ durchgeführt – ein professioneller Wrestler hat die BesucherInnen auf eine Matte geworfen – ein mühsamer Weg zur Kunst. Dieses Projekt wurde nun hier in veränderter Weise aufgegriffen. Es wurde gerungen – um die Kunst? Die Geräusche des Kampfes wurden aufgenommen und waren mit den Überbleibseln des Kampfes, der Plattform, während der Ausstellung zu hören bzw. zu sehen. Diese „Verdichtung“ ist für Grübl wichtiger Bestandteil seiner Kunst.

Desweiteren war, wie erwähnt, der Hundeverein SVÖ Saalfelden beteiligt. Im Umgang mit Hunden hat Grübl selbst einige Erfahrung aufzuweisen. Mit seiner mittlerweile verstorbenen Hündin Margi hat er zahlreiche Kunstprojekte durchgeführt. „Eine rudimentäre Aussprache“ im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum war eine Performance, in der Grübl die Kommunikation mit seinem Hund durch menschliches Hundegeheul initiierte und tierisches feed back bekam – Mensch und Hund in emotionaler Kommunikation, die anderen verschlossen bleibt und dennoch berührt. In dieser Ausstellung hing ein Foto, das Hunde in der Kunsthalle Nexus zeigt –  Hunde als AusstellungsbesucherInnen, die zum ersten Mal mit Kunst konfrontiert werden. Normalerweise sind es Herrchen und Frauchen, die sie mit Hilfe der Hundeschule ausbilden, motivieren, in die „richtigen“ Verhaltensweisen einführen, sie willig machen für ein von Menschen geprägtes Leben in der Gesellschaft. Wie aber läuft es in einer Ausstellung? Auf dem vor der Ausstellung entstandenen Bild agieren sie recht eigenständig, schauen engagiert Kunst an, benutzen sie, ignorieren sie, sind aber zum Teil auch gelangweilt – die ganze Bandbreite menschlichen Verhaltens. Bei der Vernissage waren sie mit ihren BesitzerInnen vor Ort und haben mit diesen die Ausstellung „erobert“ und mit den anderen BesucherInnen interagiert.

Nach dem Vernissagenabend wurden in der laufenden Ausstellung die Relikte dieser Aktionen gezeigt. Zusätzlich gab es die, auch bei der Vernissage schon zur Interaktion animierenden Objekte im Raum. Diese eröffneten Rückzugsmöglichkeiten, regten zu spielerischem Handeln an, stellten neue Berufsfelder vor, animierten zu Neugier, Lachen, Unverständnis oder Ablehnung , ließen nachdenken über unsere Position im Kontext Kunst.
Go left – Go right war eine Soundinstallation, bei der aus einem von der Decke hängenden, rotierend kreisenden Lautsprecher BesucherInnen kommandoartig Bewegungsanweisungen vorgegeben wurden, die von irritierenden Beschimpfungen unterbrochen wurden. Durch das Hin- und Herschwingen bzw. Rotieren des Pendels veränderte sich der Sound im Raum, was bewirken soll, dass die BesucherInnen sich direkter angesprochen fühlten. Man war gefordert, sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Ärgere ich mich oder nehme ich es mit Humor? Befolge ich die Instruktionen oder bin ich verunsichert/verärgert und verlasse den Raum? Passe ich mich der Mehrheit an oder bin ich Individualist? Was wünscht sich der Künstler? Bin ich Komplize des Künstlers, wenn ich die Aufgaben erfülle oder wenn ich sie verweigere? Diese Arbeit, die das traditionell dominante Kunstsystem kritisch reflektiert, ist angelehnt an diverse Aufrufsysteme in Arztpraxen, Behörden und Bahnhöfen, die zur Steuerung von BesucherInnen bzw. KundInnen dienen, lassen aber auch an eine militärische Sprache denken, mit der z.B. bestimmte Verhaltensmuster eintrainiert werden. So wird die Frage gestellt, welche Eigenverantwortung Individuen in der Situation einer Ausstellung – und damit auch in der Gesellschaft – übernehmen.  

Die Arbeit Sharpener besteht aus einem zu einer Messer- und Scherenschleifstation modifizierten Fahrrad aus den 1960er-Jahren und einem Video, das eine Aktion des Künstlers mit diesem Rad in Los Angeles dokumentiert. Er ist dort von Tür zu Tür gefahren und hat wild-fremden Leuten angeboten, ihre Messer zu schleifen. Mit dem umgebauten Fahrrad wurde ein autarkes, energiearmes, aus eigenen Ressourcen betriebenes Ein-Mann-Wirtschafts-unternehmen gegründet. Technisch funktioniert es so, dass ein Schleifbock über einen Gum-miriemen vom Hinterrad betrieben wird; ein Ständer hebt das Hinterrad an, so dass der Schleifbock in verkehrter Sitzposition betrieben werden kann. Nach der Fahrt durch Los An-geles fungiert das Rad nun als Alltags- und/oder Ausstellungsobjekt, das in alle Richtungen weiterverwendet werden kann. Die ausgestellten skulpturalen Interventionen und Performances hatten bewusst inhaltlich keine Verbindung; nur so ließen sich unterschiedlichste Reaktionen beim Publikum erreichen.

Ein dominantes Teil im Ausstellungskontext war die Begehbare Burka aus dunkelblauem, plissiertem Nadelstreif. Das Objekt setzt sich mit Sehen und Gesehen-Werden, mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit auseinander. Die „Kunst“-Burka ist ein vierfach vergrößertes Exemplar des afghanischen Kleidungsstücks für Frauen; letzteres besteht aus einem mit einer flachen Kappe vernähten, über das Gesicht bis hin zur Hüfte reichenden Stofftuch sowie einem am Rücken bis zum Boden reichenden textilen Überwurf. Frauen, die mit einer Burka bekleidet sind, können nur aus einem Gitterfenster hinausschauen. Die riesige „Kunst“ - Burka hat an der Stelle des Sichtfensters ein aufgesticktes arabisches Motiv und Schriftzeichen. Hinausschauen konnte man in dieser Höhe sowieso nicht. So entschied das eigene Bewegungsverhalten darüber, ob man schauen oder angeschaut werden wollte. Verstecken jedenfalls ging nicht.

Das war wiederum möglich in der Intimzone Paravent. In dieser Arbeit geht es um die Auseinandersetzung mit Öffentlichkeit und Privatheit, Sehen und (nicht) gesehen-Werden geht. Der Paravent ist autonome Skulptur und Rückzugsort. Es werden innen speziell angefertigte und in den Proportionen verschobene, übergroße Kleidungsstücke angeboten, die man auch zu zweit benutzen konnte. Man konnte aber auch bloß Zeitung lesen...
 
Kurzbio:

Manfred Grübl, 1965 in Tamsweg im Lungau (AT) geboren, lebt in Wien. Meisterklasse Bildhauerei bei Bruno Gironcoli, zuvor zwei Jahre Architekturstudium. Weitere Informationen, Ausstellungstätigkeit: www.manfredgruebl.net

Bildunterschriften

01_Ausstellungsansicht, gemeinsames Projekt mit dem Jagd- und Schützenverein Maria Alm

mit JägerInnen der Saalfeldener Jägerschaft

02 und 03_Wolpertinger, Schützenscheibe, 2017, Holz, Motiv mit Laser eingebrannt, 156 x 156 x 5 cm,

Zustand nach dem Beschuss durch den Schützenverein Maria Alm mit JägerInnen der Saalfeldener Jägerschaft

04_Gassi Gassi, 2017, Aktionsfoto eines Projekts mit dem Hundeverein SVÖ Saalfelden, C-Print, 125 x 180 x 5 cm

05_Projekt mit dem Hundeverein SVÖ Saalfelden, Hunde als Ausstellungsbesucher, während der Vernissage am 17.11.2017

06_Ausstellungsansicht: Begehbare Burka, 2014, interaktives Objekt, Nadelstreif plissiert, bestickt, 300 x 150 x 150 cm

07_Ausstellungsansicht: Sharpener, 2016, Installation: Fahrrad, Schleifbock, Video (Scherenschleif-Tour durch Los Angeles)

08_Ausstellungsansicht: Go left – go right, Installation mit pendelndem, Anweisungen gebendem Lautsprecher

09_Aktion während der Vernissage

10_Eröffnungsabend: Ranggler des Salzburger Rangglerverbands (Johann Rohrmoser und Sepp Miller), Performance

11_Ausstellungsansicht, links hinten: Intimzone Paravent, 2017, Objektinstallation, Stahlrahmen, Glas, Stoff,

250 x 230 x 230 cm

12_Eröffnungsabend