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Christoph Feichtinger und Franto Andreas Uhl
ZU ZWEI HÄNDEN

Kunsthalle im Kunsthaus Nexus
Eröffnung: 14. September 2018
Dauer: 15.9.–3.11.2018
Saaltext (Auszug aus der Rede zur Eröffnung), Petra Noll-H.

In dieser Ausstellung ist eine Gemeinschaftsserie von Christoph Feichtinger und Franto Andreas Uhl, in Mischtechnik auf Papier realisierte Zeichnungen (von 1993) präsentiert. Es ist eine um- fangreiche Installation daraus entstanden – die Halle wurde großflächig in Orient-Rot ausgemalt. Erreicht wurde damit nicht nur ein kontrastreicher Hintergrund für die zarten bis zu vier Meter langen, bewusst locker gehängten Zeichnungen, sondern auch eine Museums-/Kabinett-stimmung, wie wir sie z.B. im Kunsthistorischen Museum Wien finden. In der Zusammenarbeit von Christoph Feichtinger und Franto Andreas Uhl, beide Maler und Zeichner, gab es offensichtlich ein glückhaftes Aufeinandertreffen, eine zeitgleiche und unmittelbare Zwiesprache, aus der ohne Richtungskonzept und Ergebniswunsch vielschichtige Kunstwerke entstanden sind. „Es ergibt sich was“, war der Ausgangspunkt der in der Klausur von Feichtingers Saalfeldener Atelier entstandenen Serie; die Neugierde, der Zufall, der Veränderungswille sowie eine Unbekümmertheit in Bezug auf Autorenschaft und Einordnung  von Bildresultaten kamen dazu. Zwei gegensätzliche Formauffassungen und Seharten prallen aufeinander und sorgen für spannende Widersprüche. Der Titel „Zu Zwei Händen“ bezieht sich auch auf die Musik, die beide Künstler bis heute nachhaltig beeinflusst. Wer von den beiden Künstlern in den Arbeiten etwas zuerst eingebracht hat und wer auf wen reagiert hat, ist nicht immer mit Sicherheit zu sagen. Was von wem stammt, ist dagegen deutlich.

Christoph Feichtinger kennt man als Künstler, der leidenschaftlich nicht nur für das praktische künstlerische Arbeiten, sondern auch für das Reflektieren und Kommunizieren über Kunst steht, das er in die Bereiche Philosophie, Literatur, Musik und vor allem in die Natur-wissenschaften, besonders Biologie, ausweitet. Zahlreiche Serien sind über die Jahre ent-standen, immer dem Wunsch Rechnung tragend, zu verdichten, mit Geduld und Konzentration den Dingen, der Existenz auf den Grund zu gehen, aber auch Wahrnehmungs- und Sehverhalten zu überprüfen: 1984–1991 waren das von der Natur hervorgebrachte Formen, pflanzliche Strukturen, zeichenhafte Kürzel, oft kalligrafisch, expressiv-gestisch, das Unbewusste suchend, aber konzentriert gesetzt. Seit 1991 beschäftigt er sich, was hier in der Gemeinschaftsserie zum Tragen kommt, mit elementaren, vom Menschen kreierten, uns ständig umgebenden Formen. Das sind einerseits Ornamente wie Streifen, Pfeile, Zickzack- und Wellenlinien oder auch geometrische Formen wie Dreieck, Kreis, Quadrat, Raute (diese Beschäftigung mit Ornamentik hat er u.a. auch in den Serien mit Textilmustern, Reifenspuren und Schachtabdeckungen verfolgt). Die Ornamente haben etwas Universelles, Globales, es sind archaische Musterbausteine, die, je nach Land, Kultur und Rasse seit Menschengedenken bis heute gleichermaßen, aber unterschiedlich verwendet werden und mit jeweils anderer Symbolik belegt sind. Feichtinger variiert diese Grundformen, ohne dass ihn die Symbolik interessiert. Er schafft autonome Bildzeichen auch dadurch, dass er die ornamentalen Formen – die ja ursprünglich Teil einer sich wiederholenden Reihe innerhalb eines  Mustersystems sind, welches in erster Linie schmückenden, ästhetischen (ornare) und harmonisierenden Charakter hat –, aus ihrem Kontext nimmt und in einen anderen Zusammenhang stellt. Zudem sind durch den Verzicht auf Lineal und Zirkel kraftvolle und gleichsam poetische Bildzeichen mit hohem assoziativem Potential entstanden. Sie machen Zustände sichtbar, ohne diese festzulegen, sie lassen den Menschen spüren, ohne ihn abzubilden. In der Vereinigung mit Uhls Setzungen bringen sie eher (poetische) Regellosigkeit als Ordnung in das Bildgeschehen ein.


Franto Andreas Uhls Zugangsweise kann gegensätzlicher nicht sein, obwohl ihn ein ähnliches Anliegen beschäftigt, die Auseinandersetzung mit der Existenz und dem eigenen Standort in der Welt. Von der eigenen Betroffenheit ausgehend, erforscht er, was denn künstlerisches Tun dazu beitragen kann, menschliche Fragen zu bewältigen. Uhl hat an der Wiener Akademie bei Wolfgang Hollegha, einem der bekanntesten expressiv-abstrakten Maler Österreichs (*1929) mit einer signalhaften farbintensiven Palette, studiert und diplomiert. Von einer früher eher informell-intuitiven Zugangsweise ist Uhl zu einer expressiven, abstrahierend-figurativen gekommen. Uhls Thema ist die menschliche Figur, die er auch in zahlreichen Einzelarbeiten unendlich variiert hat – in dieser Gemeinschaftsserie meist fragmentarisch, schemen- oder skizzenhaft, als Knäuel oder nur in Umrissen. Vor allem interessiert ihn das Zentrum des menschlichen Körpers, der Kopf. Diesen hat er auch in Einzelarbeiten in zahlreichen Variationen gemalt und gezeichnet, oft gesichtslos oder auf wenige Gesichtsmerkmale beschränkt, häufig auf rote Flecken reduziert, immer fern von Porträthaftigkeit – und doch schaut der Künstler selbst aus dem ein oder anderen Gesicht heraus! Mit den Figuren, die er unmittelbar, dynamisch und zart zugleich aufs Papier bringt, spricht er Themen an wie die Problematik des menschlichen Miteinanders, Identität und Selbstbewusstsein (worauf die häufig großen Nasen verweisen) sowie innere Zustände und Emotionen wie Wut, Angst, Schmerz, Scheitern, aber auch Glück und Freude, die gerne durch dominante Farbakzente, vor allem Rot und Gelb, unterstrichen werden. Wie bei Feichtinger sind es Verdichtungen des Wesentlichen, aber auch mit einer, wenngleich auch offenen erzählerischen Komponente und häufig mit humorvollem bis dadaistischem Unterton.
Von beiden Künstlern stammen die bewusst nicht auf Lesbarkeit ausgerichteten textlichen Setzungen. Beiden geht es um Kommunikation und beide verweigern sie gleichzeitig, um sie zu hinterfragen. Im Falle von Uhl bezieht sich die bewusste Unleserlichkeit auf die Problematik menschlicher Kommunikation. Feichtinger lotet vielmehr die ästhetische, kalligrafische Qualität von Schrift ohne Rücksicht auf Inhaltlichkeit aus.
Es macht den Reiz von Gemeinschaftsarbeiten aus, die individuellen Setzungen nicht zu sehr interpretatorisch zu isolieren, sondern das gemeinschaftlich Geschaffene hervorzuhe-ben: Hier sind das sensitive Anschauungsräume von aus freiem Spiel hervorgebrachten  Zeichnungen ohne Erzählstruktur, aber Geschichten und Erinnerungen stimulierend. So kann sich auch die Wirkung auf die Empfindung der BetrachterInnen frei entfalten.

Bildunterschriften:

Linke Spalte: Ausstellungsansichten, Kunsthalle Nexus 2018, Christoph Feichtinger und Franto Andreas Uhl, aus der Serie »Zu Zwei Händen«, 1993, Mischtechnik auf Papier, verschiedene Formate

Rechte Spalte: Arbeiten aus der Serie »Zu Zwei Händen«, 1993, Mischtechnik auf Papier, verschiedene Formate