Skip to main content

SPIELRÄUME

Galerie im Stadtmuseum Neuötting
Ludwigstr. 12, 84524 Neuötting/DE, T +49 8671-8837113
www. museum[at]neuoetting.de
20.10.–23.12.2007
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.
KünstlerInnen: Peter Assmann/AT, Jim Avignon,/DE, Franz Bergmüller/AT, Doris Hadersdorfer/DE, Robert F. Hammerstiel/AT, Alfred Hrdlicka/AT, Horst M. Jaritz/AT, Siegfried Kaden/DE/CU, Pit Kinzer/DE, Martin Noll/DE, Saskia Noll/DE/CH, Alois Öllinger/DE, Franz Ramgraber/DE, Annerose Riedl/AT, Joyce Rohrmoser/AT, Sebi Seebauer/DE, Anne Katrin Schreiner/DE, Jeannot Schwartz/CH/AT, Waltraud Waldherr/DE
Performance: „Die Spieler“ aus Ulbering (Schauspieler: Barbara Strack, Herbert Pross und Nikola Rothmann, Regie: Nikola Rothmann): “Spiel”, Drama für drei Personen von Samuel Beckett, 1962/63)
Text, Petra Noll:

In dieser Ausstellung werden zum vielfältigen Phänomen „Spiel“ Arbeiten von 20 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aus Deutschland, der Schweiz und Österreich präsentiert. Sie haben Spiele entwickelt (z.B. Franz Bergmüller, Jeannot Schwartz oder Martin Noll), reflektieren auf dem Markt angebotene Spiele (z.B. Anne Katrin Schreiner Automatenspiele), Spielzeug (Annerose Riedl: Teddys, Pit Kinzer: inszenierte Fotografie mit Spielzeugfiguren) und Sport-Spiele (Doris Hadersdorfer, Horst Jaritz, Franz Ramgraber, Joyce Rohrmoser, Waltraud Waldherr) oder behandeln kunstimmanente Probleme in spielerischer Weise (Peter Assmann). Es wird die Frage gestellt, was das Spielen (engl. play) bzw. die verschiedenen Spiele (engl.: games) über den Menschen, dessen Wert- und Geschmacksvorstellungen, Sehnsüchte, Verhaltensweisen und Leidenschaften aussagen (Robert F. Hammerstiel, Annerose Riedl). Es werden gesellschaftliche, politische, ökonomische, kulturelle und ästhetische Fragen in der künstlerischen Auseinandersetzung mit „Spiel“ aufgeworfen (z.B. Jim Avignon mit comicähnlichen Malereien). Malerei, Grafik, Objekt, Fotografie und Video stehen im Mittelpunkt, aber das Terrain wird ausgeweitet auf Theater bzw. Interaktion durch den Besucher (bei den Objekten von Franz Bergmüller bzw. Jeannot Schwartz), auf das dadaistisch-surrealistische Spiel mit Sprache und Objekt (Peter Assmann), das Zugreifen auf Design (Lampen- und Schmuckobjekte von Doris Hadersdorfer) oder auf den Grenzbereich, den Sebi Seebauer mit seinen Schattenspielen eröffnet.
Seit Menschen gibt, spielen sie. Der Mensch ist ein „homo ludens“, in der heutigen Entertainment-, Event- und Spaßgesellschaft vielleicht mehr denn je. Das Spiel ist grundlegendes Element unserer heutigen Kultur und hat alle Bereiche des Lebens und Alltags erobert. Für die emotionale, geistige, körperliche und soziale Entwicklung des Kindes ist es von entscheidender Bedeutung.
Für die bildende Kunst des 20. Jhs. ist das Spielerische zu einem entscheidenden Aspekt geworden. Die künstlerische Auseinandersetzung zum Thema Spiel hat im 20. Jh., einer Zeit, in der spielerisches Denken, die Hinwendung zur Imagination, das Experimentieren mit neuen Ausdrucksformen, die Überschreitung der Gattungsgrenzen, die Aufhebung der Unterscheidung zwischen „hohen“ und kunstfremden Themen und Materialien sowie die aktive Rolle des Rezipienten wesentlich wurden, an Bedeutung gewonnen. Der Kunst eröffnete sich ein breites Feld zum Erproben ungewohnter Möglichkeiten. Eine frühe Schlüsselfigur war Marcel Duchamp, Künstler und leidenschaftlicher Schachspieler. Die Beschäftigung mit Spiel war für ihn von zentraler Bedeutung, diente ihm zur spielerischen und ironischen Hinterfragung aller Aspekte der künstlerischen Arbeit – des Kunstwerks, der Künstlerrolle, des Kunstbetriebs. Bei seiner ersten Retrospektive 1963 im Pasadena Art Museum spielte er, der alle Schachspieler als Künstler sah, Schach gegen eine unbekleidete Frau. Das Schachspiel hat in der Kunst seitdem oft eine große Rolle gespielt, hier ist Alfred Hrdlicka mit zwei Arbeiten zum Thema Schach vertreten, es geht ihm aber hier, wie immer in seinem Werk, um psychologische Komponenten, um die Verfassung und den Lebensweg der Spieler.
Seit der Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts ist wieder eine verstärkte Auseinandersetzung mit Spiel in der Kunst zu bemerken, die unter anderem auf die Hochkonjunktur des Computerspiels zurückzuführen ist. Spiel und Kunst haben grundsätzlich viel gemeinsam. Beide bewegen sich auf Spielfeldern mit freiwillig akzeptierten oder selbst gesetzten Regeln, die auch verletzt bzw. modifiziert werden können. Sowohl dem Spiel als auch der Kunst ist Zweckfreiheit eigen, sie werden beide nur um ihrer selbst willen ausgeübt und sind von innen her motiviert. Die Ausrichtung von Spiel ebenso wie von Kunst liegt auf dem Gegenüber, auf der Interaktion. Beide sind fiktiv, nicht lebensnotwendig, stehen in Distanz zum Alltag. Selbst wenn manche Spiel „Trainingsfelder des Lebens“ sind und bestimmte Kunstformen sich mit „Leben verbinden“, so bleiben beide doch immer einer eigenen Wirklichkeit verhaftet. Unsere Welt ist eine Mischung aus Fiktion und Realität, dem tragen Spiel und Kunst gleichermaßen Rechnung. Beide lassen das Paradox, Irrationale zu, das Ambivalente und Heterogene. Spiel und Kunst ermöglichen den Rausch, die Lust, das Vergnügen.

 
 
1) Jim Avignon
2) Franz Bergmüller
3) Doris Hadersdorfer
4) Robert F. Hammerstiel
4) Alfred Hrdlicka
6) Horst Jaritz
7) Pit Kinzer
8) Martin Noll
9) Saskia Noll
10) Alois Öllinger
11) Franz Ramgraber
12) Annerose Riedl
 
 
{gallery},width=270, crop=0, thumbdetail=0, column_quantity=2, gap_v=30, gap_h=30{/gallery}
{gallery}spielraume2,width=270, crop=0, thumbdetail=0, column_quantity=2, gap_v=30, gap_h=30{/gallery}